Ein nordisches Sommermärchen: Hjálparfoss, Gjáin

 Tag 3

Die erste Nacht in unserem Häuschen bei der Smáratún Farm verläuft ruhig: die Jungs schlafen unter dem Dachgiebel, ihr Lager ist über eine etwas steile Treppe leicht zu erreichen. Sophia hat ein eigenes Zimmer und schläft durch - der letzte Tag war wohl eine wenig anstrengend - mit den vielen neuen Eindrücken.

Kurz bevor wir zum Frühstück die paar hundert Meter zum Haupthaus des Hotels wandern, bekommt Sophia das ihre. Dann wandern wir gemeinsam los, immer mit dem Rehabuggy im Gepäck. Schließlich wollen wir auch einmal einigermaßen ruhig Beisammensitzen, ohne Sophia hinterherzulaufen, die weiß der Himmel was gerade vorhat. Aber zuerst genießen wir einmal die Morgenstimmung:

Die linke Hütte ist die nächsten paar Tage die unsere - ausgestattet mit Küche, Bad, WC, 
2 Zimmern, dem Juchee als Dachlager, Fernseher, Whirlpool neben dem Eingang,
Grill auf der Terrasse  ...... Was für ein Luxus 😁


Unser Weg führt an den Koppeln der Farm vorbei,

da raufen doch zwei !!

aber vom Rest der malerischen Gegend ist heute Morgen nichts zu sehen. Das macht aber nichts, irgendwie wirkt alles sehr geheimnisvoll im Morgennebel.


Gut gestärkt treten wir die Reise zurück ins Landesinnere an: unser Weg führt uns heute auf altbekannten Straßen zurück nach Hvolsvöllur auf die Ringstraße und die Ringstraße zurück Richtung Westen, bis zur Abzweigung, die nach Flúðir führt. Allerdings werden wir diesen Ort nicht mehr anfahren und biegen eine Abzweigung vorher auf die Straße Nr. 32 ( þjórsárdalvegur ) ab und folgen dem Fluß. Auch hier ist die Landschaft malerisch schön, aber ich sehe die Parkplätze (zum Photographieren) immer zu spät, und mit der schlafenden Mannschaft im Auto mag ich keine "unnötigen" Stopps riskieren. Ich genieße die Fahrt auch so 😁. 

Nach insgesamt gut 80 Kilometern haben wir unser erstes Tagesziel erreicht. Man könnte es leicht verfehlen, weil es von der Straße aus nicht zu sehen ist, und die Gegend rundherum mehr Ähnlichkeit mit einer Wüste als mit fruchtbarem Land hat - Hekla hat hier immer wieder einmal kräftig draufgespuckt - und so sieht die Landschaft dann eher karg aus. Wir nehmen vor einer Brücke linkerhand eine Abzweigung auf eine Schotterpiste, und nach wenigen hundert Metern stehen wir am Parkplatz mit direktem Blick auf den Hjálparfoss.

die paar Meter ließen wir den Rehabuggy im Wagen:
Physiotherapie war angesagt 😏


Und auch hier drehen wir ein paar Szenen für den Arthouse Film "Sondieren in Island", 
einmal eher verdeckt

"Gießen" (das heißt nur Wasser) bei der Ankunft


das andere Mal ganz offensichtlich

Essen am Rückweg

Dazwischen ist Sophia tatsächlich aus freien Stücken bis zum Wasser gelaufen :) .


( Dieses Phänomen wird uns noch öfter überraschen: wenn Sophia Wasser, noch dazu rauschendes, wahrnimmt, ist sie zu unvermuteten sportlichen Leistungen fähig. )

Wir haben das unglaubliche Glück, diesen wundervollen Ort bei Schönwetter teilweise ganz für uns allein zu haben!! Ein Genuß!!

Das war aber nur der erste Punkt der Tagesordnung: ganz in der Nähe gibt es Stöng í þjórsárdal, einen alten Bauernhof, der - wie viele hier - von Hekla ein paarmal überwutzelt worden ist und dessen Wiederentdeckung  die erste archäologische Ausgrabung in Island markierte. Nicht weit weg davon soll es eine malerische Schlucht geben. Das klingt alles sehr verlockend, hat aber einen Haken: wir müssen nach Stöng doch ein paar Kilometer auf einer Schotterpiste zurücklegen - mit einem VW Caddy Max ????  

Ich beschließe, mir die Sache einmal anzuschauen - langsam, vorsichtig und immer den Rückzug im Kopf. Die Fahrt wird etwas holprig: wie von zu Hause von Forststraßen und Feldwegen gewohnt, gibt es alle Nasen lang unterschiedlich große Schlaglöcher, und ich bewege das Auto WIRKLICH langsam im Zick-Zack über die Straße. Ein bis zwei mal haben wir auf der anfangs kurvigen und sich auf und ab schlängelnden Straße auch Gegenverkehr, aber die entgegenkommenden Fahrzeuge fahren freundlicherweise sehr langsam an uns vorbei - damit spritzen die Steine nicht am Auto hoch. Und die restlichen Kilometer sind zum Glück richtig flach und gut überschaubar - man sollte mit einem Auto wie dem unseren dann halt nicht übermütig werden 😂. 



Nach ca. 8 km und 30 min später erreichen wir einen Parkplatz nahe dem Hof, die Landschaft wirkt eher steppen- bis wüstenartig, nirgendwo ein Wasserlauf hör- oder sichtbar, weit und breit kein Baum, der Schatten spendet. Wir stehen neben einem typisch isländischen Wohnmobil (praktisch LKW mit höhergelegtem Fahrwerk, entsprechend hohen Reifen und dem Wohn-Aufbau) , aus dem es lecker nach Palatschinken duftet. Sophia will sich das Teil unbedingt näher anschauen, und die französischen Mieter des Fahrzeugs sind sehr freundlich, aber ich mag sie trotzdem nicht reinlassen. Wir suchen lieber rasch den Weg zum Bauernhof und erleben bereits nach wenigen Metern eine Überraschung:


Mitten in der eher unfreundlichen Landschaft findet sich diese Oase mit Wasser, Grün und später auch schattengebenden Bäumen.

Wir lassen Sophias Wagen im Auto, weil der Fußweg mit dem Buggy ohnehin nicht befahrbar ist, und animieren Sophia dazu, selbst zu gehen. Zwischenzeitig findet sie die Motivation dazu sogar ganz von selbst:

drei Wichtel am Weg durch die Heide


Das Wetter ist unglaublich, aber im Gegensatz zu gestern brauche ich mir wegen Sophias Essen keine Sorgen machen: heute haben wir nur ihre Tagesration mit im Rucksack, im Auto bleiben keine Lebensmittel zurück.

Die Vegetation fällt  hier immer noch karg aus, aber wir freuen uns an den Grüntönen. An jedem Wanderweg finden wir Schilder, die darauf hinweisen, das Pflanzen in Island nur SEEEHR langsam wachsen und das deswegen ein Verlassen der Wege nicht gern gesehen wird - man Zertritt dabei die Arbeit von einigen Jahren!!


Wir kommen diesem Ansinnen gerne nach und bleiben am Weg, der ist auch malerisch genug, denn plötzlich öffnet sich vor uns eine Art Buschwald, durch den uns der Weg immer näher an die Schlucht bringt:







Und so erreichen wir, nach ein paar kleinen Pausen, einem doch teilweise beschatteten Weg folgend


das Ziel des heutigen Tages:


Natürlich kann Sophia der Versuchung nicht widerstehen, und badet ihre Beine ewig lange im kalten Wasser

Die Jungs im Hintergrund kommen den Bachlauf entlang und 
werden dann auch hier kurz Schwimmen. Auch wenn das Wasser
wirklich kalt ist, bereue ich es, meine Badesachen nicht mitzuhaben.

Abgesehen davon, daß sich die Landschaft hier sehr romantisch präsentiert, gibt es für umtriebige Jungs außer dem Wasser noch andere Möglichkeiten, überschüssige Energie loszuwerden:



oder man versucht, dem Wasserfall noch näher zu kommen

Erika und die Jungs direkt neben dem Wasserfall Gjárfoss.
SEEHR romantisch, aber der gewiefte Waldläufer erkennt links im Bild schon kommenden Streß



Wie im Untertitel zuvor angekündigt, habe ich nun eine Zeitlang Feuer unter den Fingernägeln: ich bin mit Sophia an das andere Ende des Pools gebunden und weiß, daß Philipp meine Hilfe brauchen wird, nämlich hier

Raphael an der Schlüsselstelle
Erika und Philipp sind dafür in der nicht ganz passenden Marschordnung,
auf dem schmalen Pfad ist an einen Positionswechsel nicht zu denken

Raphael bewältigt das alleine, Philipp braucht Hilfe von unten. Leider versteht Raphael erst spät, was ich von ihm will, als  ich ihn nach Absolvieren dieses lästigen Stück Wegs rufe - er soll auf Sophia aufpassen, damit ich den beiden anderen helfen kann. 
Ein freundlicher Müßiggänger versteht mein Vorhaben schneller und kommt Erika und Philipp entgegen, bevor ich Sophia überhaupt verlassen kann. -> Dafür bekommt er als Retter in der Not den großen Schokolade-notration-"orden" von Erika überreicht. 

Nach ein paar Stunden verlassen wir diesen romantischen Flecken Erde


und wandern durch den Busch

man wähnt sich hier in südlicheren Gefilden 


über die Heide


und erreichen nach ca. 30 min wieder das Gehöft


Am Rückweg versuche ich noch einmal, die Weite des öden Landes einzufangen, aber ohne Panoramaphoto geht das nicht wirklich:

im Einschnitt zwischen den Hügeln am Horizont, in direkter Verlängerung der Straße,
könnte man bei max.Vergrößerung einen hellen Streifen erkennen:
Háifoss, mit 122 Metern der höchste Wasserfall Islands


Was am Rückweg auch auffällt, ist der abrupte Wechsel zwischen grün und braun



Und maßgeblich beteiligt an diesem mondlandschaftartigen Aussehen der Umgebung ist sie:

HEKLA, 1488m hoch

wenn sie ausbricht, reißt der ganze Gipfelgrad auf und speit Feuer!

Und so fahren wir wieder gemütlich nach Hause: die Passagiere fallen in den üblichen Autoschlaf, der  Pilot genießt die herrliche Landschaft und bringt die Mannschaft an den Ausgangspunkt des Tagesausfluges zurück. Die Morgennebel haben sich auch hier verzogen
und wir genießen das Dasein in vollen Zügen:

Eyjafjallajökull rechts

Die Jungs wollen heute unbedingt den Whirlpool neben dem Häuschen ausprobieren, und auch Sophia will unbedingt ins Wasser - wir werden es aber bei diesem einen Besuch im Whirlpool belassen. 

Auch heute gönnen wir uns ein Abendessen im Restaurant des Hotels, danach fordert mich Raphael zu mehreren Schachpartien in der Hotellobby heraus, während Erika die zwei kleinen zurück zu unserem Häuschen führt und dort zu Bett bringt. Unaufmerksamkeiten meinerseits bestraft Raphael sofort, und ich muß auf meine Figuren schon gründlich aufpassen 🙈 . Spätabends klettert Raphael dann zu Philipp in den Juchee und ich ins Bett im Parterre.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tuberöse Sklerose und Autismus

Ein nordisches Sommermärchen, Prolog